Juristische Eier
In der bisherigen Geschichte des Knickei-Ruine hat die Gemeinde Halstenbek schon mehrfach Gelegenheit gehabt, sich mit diesem Phänomen auch juristisch auseinanderzusetzen, beispielsweise in folgenden Angelegenheiten:
- Schadenersatz
Die Klage der Gemeinde Halstenbek gegen die Verursacher des Knickei-Einsturzes wegen Schadenersatz zieht sich schon über viele Jahre hin. Erst im Jahre 2005 (über 7 Jahre nach dem Schadensfall) urteilte das VG Schleswig grundsätzlich zugunsten der Gemeinde. Nach allgemeiner Einschätzung wird das Verfahren mit einem Streitwert von mehreren Millionen Euro aber noch weitere Jahre dauern (sicher zur Freude der beteiligten Juristen).
- Architektenhonorar
Die Gemeinde verlor das Verfahren vor dem Landgericht Itzehoe gegen den Architekten des Knick-Eies "..es gilt der Richterspruch, wonach Architekt André Poitiers von der Gemeinde 62000 Euro an ausstehenden Honorarforderungen erhält. (Pinneberger Zeitung vom 2.5.2003)"
- Zulässigkeit Bürgerentscheid 1
Eine Klage der Grünen als Initiatoren des ersten Bürgerentscheids gegen die Kommunalaufsicht und die Gemeinde Halstenbek war erfolgreich und führte zum ersten Bürgerentscheid in 2002
- Ausschreibung Wiederaufbau
Um das in 2004 durchgeführte Ausschreibungsverfahren für den Wiederaufbau juristisch abzusichern, wurde eine Anwaltskanzlei beschäftigt. Besonders wirkungsvoll kann diese Absicherung aber nicht ausgefallen sein, denn die Gemeinde fürchtet sich ungemein vor möglichen Schadenersatzforderungen der Ausschreibungsteilnehmer, wenn es nicht mehr zur Auftragserteilung kommen sollte.
- Zulässigkeit Bürgerentscheid 2
Beim Widerspruch der Gemeinde gegen die Zulässigkeitserklärung des 2. Bürgerentscheids kam besonders beeindruckender juristischer Scharfsinn zum Einsatz (siehe unten).
- Einstweilige Anordnung gegen Auftragsvergabe
Die Kritische Bürgerinitiative Knickei sah sich gezwungen, beim Verwaltungsgericht eine einstweilige Anordnung gegen die Gemeinde Halstenbek zu erwirken, um zu verhindern, daß kurzfristig vor dem genehmigten Bürgerentscheid ein Auftrag zum Wiederaufbau der Knickei-Kuppel erteilt wurde.
- Widerspruch des Bürgermeisters gegen einen Beschluß der Gemeindevertretung
Als im Juli 2005 eine Mehrheit der Gemeindevertretung aus CDU und Grünen überraschend beschloß, das Knickei abzureißen und eine neue Halle zu bauen, stellte der Bürgermeister mit feinem Rechtsempfinden fest, daß dieser Beschluß "rechtswidrig" sei und legte Widerspruch ein.
Dabei hat sich besonders in den letzten Verfahren Gelegenheit ergeben, besonderen juristischen Scharfsinn zu entwickeln, der hiermit auch ein wenig der interessierten Öffentlichkeit näher gebracht werden soll:
Die Sache mit dem Briefkopf
Im Widerspruch der Gemeinde gegen die Zulässigkeit des zweiten Bürgerbegehrens (vom 08.12.2004 mit nachgereichter Begründung vom 10.05.2005) wurde geltend gemacht, daß der Zulässigkeitsbescheid des Landrats als Kommunalaufsicht auf dem
falschen Briefpapier (mit der Angabe: Kreis Pinneberg, Landrat des Kreises Pinneberg, Kommunalaufsicht) geschrieben gewesen sei und daß der Zulässigkeitsbescheid demzufolge nichtig sei. Als Begründung wurde angeführt, daß "der Briefkopf geeignet sei, den Empfänger zu verwirren" und "sich für den Adressaten die Erlassbehörde nicht zweifelsfrei feststellen läßt".
Knickei.de ist empört und findet, daß eine solche Begründung schon an
Verleumdung grenzt. Denn es wurde doch praktisch behauptet, daß der Halstenbeker Bürgermeister als Adressat nicht in der Lage ist, einen Brief von seinem Landrat zu erkennen. Es erscheint völlig unverständlich, warum der Bürgermeister eine solche Behauptung auf sich sitzen läßt.
Die Sache mit der Sperrfrist
Hier liegt ein Beispiel für eine spezielle flexible juristische Logik vor. Es geht dabei um den Beschluß der Gemeindevertretung vom 22.06.2004, beim Wiederaufbau der Sporthalle eine andere Konstruktion als eine Glasnetzkuppel anzustreben. Dieser Beschluß wurde 21 Monate nach dem Bürgerentscheid von 2002 gefaßt, lag zeitlich also noch innerhalb der Sperrfrist von 2 Jahren, in der kein neuer Grundsatzbeschluß zugelassen ist.
In der Begründung der Gemeinde für ihren Widerspruch gegen die Zulässigkeit des zweiten Bürgerbegehrens wird interessanterweise in zwei Richtungen argumentiert:
- Dieser Beschluß ist kein neuer Grundsatzbeschluß (denn sonst wäre er ja ungültig).
- Dieser Beschluß ist aber gleichzeitig doch ein Grundsatzbeschluß, und deshalb hätte das Bürgerbegehren innerhalb von 6 Wochen danach eingereicht werden müssen.
Erstaunlicherweise konnte sich weder die Kommunalaufsicht noch das Verwaltungsgericht Schleswig-Holstein mit dieser Logik anfreunden.
Die Sache mit dem "schwerwiegenden Grund"
Im Widerspruch der Gemeinde gegen die einstweilige Anordnung mit Untersagung der Auftragsvergabe zum Wiederaufbau wird angeführt, daß die Gemeinde rechtlich verpflichtet sei, eine bereits begonnene Ausschreibung zu Ende zu führen. Ein Abbruch der Ausschreibung sei nur mit einem "schwerwiegenden Grund" möglich, und die Tatsache, daß eine Mehrheit der Bürger bzw. ihrer politischen Vertreter nach Bekanntwerden neuer Informationen keinen Wiederaufbau mehr wollen, sei kein solcher schwerwiegender Grund.
Da fragt sich der erstaunte Beobachter, was denn dann wohl überhaupt ein schwerwiegender Grund sein könnte, vielleicht wenn ein Wunder geschähe und sich die Erde öffnete, und das Knickei ganz verschlänge?
Das Verwaltungsgericht war jedenfalls sehr wohl der Meinung, daß "durchaus Aufhebungsgründe nach Ziff. 1b und c der Vorschrift in Betracht" kommen.
Die Sache mit der Rechtswidrigkeit
Beim Beschluß der Gemeindevertretung im Juli 2005, das Knickei abzureißen, regte sich das feine Rechtsempfinden des Bürgermeisters und stellte einen "rechtswidrigen" Verstoß gegen die Vergabeordnung fest, weil es angeblich keine Möglichkeit für eine Aufhebung der Ausschreibung gäbe.
Erstaunlicherweise hatte allerdings das feine Rechtsempfinden des Bürgermeisters völlig versagt, als er im Dezember 2004 im Begriff war, den Wiederaufbauauftrag zu erteilen, obwohl gerade ein Bürgerentscheid dagegen zugelassen worden war. In diesem Falle mußte der Bürgermeister durch eine einstweilige Anordnung daran gehindert werden, gegen die Vorschrift der Gemeindeordnung zu verstoßen, die nach der Zulassung eines Bürgerentscheides keine Maßnahmen mehr gestattet, die dem Begehren entgegen stehen.

Es hilft nichts, das Recht auf seiner Seite zu haben. Man muß auch mit der Justiz rechnen.
Dieter Hildebrandt (23.05.1927 - )
dt. Kabarettist